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Videoband    608

Stand: 21.09.2001
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Band 608: Film 1    Zähler: (1 -  4770)    PRO 7     Do, 20.09.2001 20:15    94/120 Min.   
  deutsch  Farbe: Farbe
  iFN: 1747  

St. Pauli Nacht

Episoden-Drama

Eine Nacht auf und um Hamburgs Amüsiermeile: Episodenfilm.
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Nachdem der gefrustete Postbote Manfred herausgefunden hat, dass ihn seine Frau betrügt, nimmt er eine Knarre und läuft Amok. Ein Schuss trifft ausgerechnet Ex-Knacki Johnny, der sich gerade ein neues Leben aufbauen wollte. Außerdem gibt es noch den mafiosen Club-Besitzer, eine Ehepaar mit Problemen, den schmierigen Wolfgang, Crash-Kids, den alleinstehenden Fitnesstrainer usw. Alle treffen sie irgendwann auf Taxifahrer Rasta Robby, der gleich einem roten Faden durch die vielen Episoden führt.

Fernab vom deutschen Komödien-Einerlei zeigt Genremeister Sönke Wortmann hier meist einfache Menschen in alltäglichen , aber auch ungewöhnlichen Situationen. Dass dabei nicht alle Episoden gleich stark sind, ist schade. Denn der Film hat eine prickelnde Erzählstruktur - Rückblenden, Verknüpfungen usw. - viele gute Darsteller und eine bemerkenswerte Fotografie. Auf jeden Fall weckt der Film nach schlappen Werken wie "Das Superweib" große Hoffnungen für weitere Wortmann-Filme.

Johnny liebt Stefanie. Manfred läuft Amok. Ulrike trennt sich von Peter. Rainer kommt auf den Hund. Dorit findet ihren Traummann. Roberta sieht den größten Schwanz ihres Lebens. Der Taxifahrer Rasta Robby steigt einer Kundin nach. Die Crash-Kids Timo und Erik bauen Scheiße. Alles in einer Nacht. Alles im Vergnügungsviertel rund um die Hamburger Reeperbahn. Wo die Liebe so wenig käuflich ist wie das Glück und wo der Zufall mit Johnny und den anderen Hütchen spielt. "Gegen halb sechs nachmittags hörte Johnny, daß er gekillt werden sollte, knapp drei Stunden später war er tot." Mit diesem lakonisch hingeworfenen Satz beginnt Frank Göhres 200 Seiten dünner und sechs Jahre alter Kiez-Roman "St. Pauli Nacht", der in seiner knappen, milieugenauen Sprache das Leben auf der Meile authentischer einfängt als jede Fernseh-Dokumentation. Ein Stoff wie geschaffen für den Hamburger Underdog-Regisseur Lars Becker ("Bunte Hunde"), einen atmosphärischen Bildermagier wie Nico Hofmann ("Solo für Klarinette") oder einen filigranen Gegenwarts-Chronisten wie Matthias Glasner (demnächst: "Fandango"). Aber Sönke Wortmann? Der Phil Collins der deutschen Beziehungskomödie? Nee, ne? Die an Originalschauplätzen gedrehte Adaption von Göhres Kiez-Ballade straft solche Vorbehalte Lügen. Oder anders ausgedrückt: Wortmann hat rechtzeitig den Absprung geschafft. Nachdem er zuletzt Hera Lind bebilderte ("Das Superweib") und die Altherrenphantasien des literarischen Leichtgewichts Dietrich Schwanitz arrangierte ("Der Campus"), haftete ihm das Image eines handwerklich soliden, aber austauschbaren Schönwetterfilmers an. Mit "St. Pauli Nacht" kehrt Wortmann vom gefälligen Boulevard zum stimmigen Alltagsrealismus zurück, der 1992 sein Frühwerk "Kleine Haie" auszeichnete ¿ und, schwups!, verwandelt sich Phil Collins in Peter Gabriel. Die episodische Struktur des Romans in ein variantenreiches Spiel mit überlappenden Zeitebenen und Handlungssträngen übertragend, entwickelt der Film ein vielschichtiges Stimmungsbild vom Lieben und Sterben in der großen, grauen Stadt. Die nachts nirgendwo so verlockend und trügerisch leuchtet wie auf St. Pauli. "Bubi Scholz"-Darsteller Benno Fürmann verkörpert den Knacki Johnny, dessen tragisches Schicksal die lange Reise in die Nacht eröffnet. Um ihn herum sind die ineinandergreifenden Lebenswege einer Handvoll Menschen aus unterschiedlichen sozialen Schichten gruppiert, die zwischen Mitternacht und Morgengrauen an ihren Lebenslügen scheitern, geliebt und verlassen werden oder völlig unverhofft ihr Glück finden. Die Episoden folgen dem Prinzip fallender Domino-Steine. Nicht alle von ihnen sind von gleicher Qualität, ihre Stärken oder Schwächen unterliegen der Gestaltungskraft ihrer Akteure, die in Einzelfällen extreme Schwankungen aufweist. So ist Viva-2-Moderator Ill-Young Kim mit der Rolle des Taxifahrers Rasta Robby schlicht überfordert, während ein schauspielerisches Schwergewicht wie Armin Rohde ¿ der Wachmann aus "Lola rennt"¿ den Film kraft seiner Präsenz ganz alleine überstrahlt. Rohde verkörpert den Postboten Manfred, der kurz hintereinander gleich drei Niederschläge einstecken muß und im volltrunkenen Liebeskummer ausrastet. Die Verzweiflung eines über alle Grenzen getriebenen, entwürdigten Verlierers wurde selten in einer so grauenvollen Intensität ausgespielt. Rohdes Leistung verfügt in der Filmgeschichte über wenig Vorbilder. Wer sich unwillkürlich an Peter Lorres Darstellung des triebhaften Biedermannes aus Fritz Langs "M ¿ Eine Stadt sucht einen Mörder" (1931) erinnert fühlt, liegt vielleicht gar nicht so falsch. In weiteren Rollen agieren bekannte Schauspieler wie Axel Milberg ("14 Tage lebenslänglich"), Peter Sattmann ("Bandits"), Christian Redl ("Das Trio") und Maruschka Detmers ("Vorname Carmen") gleichwertig sowie Heiner Lauterbach in einem tollen Gastauftritt neben Newcomern wie Valerie Niehaus (siehe S. 86), Kathleen Gallego Zapata und Florian Lukas. Die eigentliche Entdeckung von "St. Pauli Nacht" aber ist Oliver Stokowski, ein Typ wie Detlev Buck, der mit Dackelblick und hängenden Schultern die sympathischste Figur des Films, den "Friesen", verkörpert. Die lakonische Komik seines Auftretens bewahrt den Film vor dem Abdriften in allzu düstere Gefilde und sorgt zudem für den romantischen Höhepunkt von "St. Pauli Nacht": So rührend unbeholfen wie der "Friese" mit der Werbegrafikerin Dorit anbandelt, wurde seit Detlev Bucks Langfilmdebüt "Erst die Arbeit und dann..." nicht mehr um die erste Nacht herumgestochert. Wenn im ersten Morgenlicht die letzten Kneipengänger nach Hause wanken, schließt sich ein Kaleidoskop urbaner Geschichtsfetzen, in dem große Katastrophen bruchlos neben dem kleinen Glück stehen. Und so entstand eine traurige, schöne, schmutzige Hamburg-Collage, deren genau getroffenes Lokalkolorit Dieter Wedels Kulissen-Kiez aus "Der König von St. Pauli" wie ein Bühnenbild der Augsburger Puppenkiste aussehen läßt. Denn St. Pauli bei Nacht ist weniger ein Ort als ein Zustand. Der läßt sich nicht nachbauen. Nur aushalten. Davon, unter anderem, handelt Sönke Wortmanns Film. Mach's gut, Johnny. Heiko Rosner Dieser Film könnte Ihnen gefallen, wenn Sie "Desperado City" und "Short Cuts" mochten.

Deutschland 1999, Regie: Sönke Wortmann, Buch: Frank Göhre, Kamera: Tom Fährmann, Musik: Peter Wolf. Mit: Benno Fürmann, Armin Rohde, Oliver Stokowski, Florian Lukas, Valerie Niehaus, Ill-Young Kim, Maruschka Detmers, Axel Milberg, Peter Sattmann, Christian Redl, Doreen Jacobi, Heiner Lauterbach, Hannes Hellmann.


Daten zu Beteiligten / Genannten:

Regie: Sönke Wortmann (Das Superweib,  Der Campus)     D 1999




Videobandbelegung Band 608   VHS-PAL/Secam
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