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Margarethe von Trotta

Stand: 22.06.2001
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* 21.02.1942  in Berlin    

Multitalent

Nach Kriegsende zieht Margarethe von Trotta mit der Mutter nach Düsseldorf, dort besucht sie die Schule bis zur Mittleren Reife, danach die Höhere Handelsschule. Sie arbeitet im Büro - zuerst in Deutschland, später in Paris. Dort kommt sie in Kontakt zu Filmschaffenden und ist bei verschiedenen Regisseuren am Set.

Später kehrt Margarethe nach Düsseldorf zurück, macht ihr Abitur nach, beginnt ein Studium der Germanistik und Romanistik in München und Paris. Nebenbei besucht sie in München die Schauspielschule. 1964 gibt sie ihr Bühnendebüt in Dinkelsbühl, 1965 geht sie ans Theater in Stuttgart, 1969/70 hat sie ein Engagement in Frankfurt/Main. Seit 1967 ist sie im Filmgeschäft tätig.

Zunächst spielt sie in Filmen von Rainer Werner Fassbinder, Klaus Lemke, Volker Schlöndorff und Herbert Achternbusch, bevor sie zur namhaften und stets auch umstrittenen Regisseurin des deutschen Kinos wird.

Bei Volker Schlöndorff, den sie später heiratet, ist sie schon 1969 neben Rainer Werner Fassbinder und Hanna Schygulla im "Baal" zu sehen. Wichtige Rollen, die ihren Durchbruch als Schauspielerin begründen: in den drei Fassbinder-Filmen "Götter der Pest", das Zimmermädchen in "Der amerikanische Soldat" und die Produktionssekretärin in "Warnung vor einer heiligen Nutte". Dann schreibt sie gemeinsam mit Schlöndorff das Drehbuch für dessen Regiearbeit "Der plötzliche Reichtum der armen Leute von Krombach" (1971), wo sie selbst die Sophie spielt.

Mit ihrem dritten selbst inszenierten Spielfilm "Die bleierne Zeit", (1981), für den sie bei den internationalen Filmfestspielen in Venedig den "Goldenen Löwen" erhält, erringt sie auch die Anerkennung der internationalen Filmkritik und rückt in die kleine Riege jener deutschen Regisseure auf, die international bemerkt werden.

"Die bleierne Zeit", das ist Deutschland im Herbst. Juliane widmet ihr ganzes Leben der Aufklärung des undurchsichtigen Mord/Selbstmordfalls ihrer Schwester Marianne. Marianne hatte gewaltsam gegen den Staat gekämpft, war verhaftet worden, später eingekerkert. Eine fiktive Geschichte, doch nicht erfunden. Es geht um Gudrun Ensslin und die Baader-Meinhoff-Gruppe. Nicht Schuld oder Unschuld, nicht pro oder contra Terrorismus, es geht um die "bleierne Zeit", in der solche Menschen solche Schicksale erleiden. Ein Film über 1968 und die Folgen, ein wichtiger Film über verfehlte Aktivitäten, über falsche Hoffnungen.

Bereits 1975 macht Margarethe von Trotta auf sich aufmerksam, als sie gemeinsam mit Volker Schlöndorff in Köln den Heinrich-Böll-Roman "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" inszeniert. Später wird häufig von "Schlöndorffs Böll-Film" gesprochen, doch das ist Unrecht, denn Margarethe hat jede Szene gemeinsam mit Schlöndoff erarbeitet.

Am Vorabend von Weiberfasnacht, dem Höhepunkt des Kölner Karnevals trifft die Hausangestellte Katharina bei ihrer Tante Ludwig Götten, in den sie sich verliebt und mit dem sie auf ihr Apppartement geht. Am nächsten Morgen stürmt eine schwerbewaffnete Polizeieinheit die Wohnung und sucht nach dem inzwischen Verschwundenen. Das ist Ausgangspunkt einer Kinogeschichte, die realistisch und spannend zugleich ein hohes Maß an Aktualität hat. Trotz einiger formaler Ungereimtheiten, die zum Teil auch an dem rohgezimmerten Buch von Heinrich Böll liegen, zählt das zu den wichtigsten Produkten des westdeutschen Nachkriegskinos.

Drei Jahre nach der gemeinsamen Regiearbeit mit Schlöndorff entsteht Margarethe von Trottas erster eigener Spielfilm "Das zweite Erwachen der Christa Klages". Christa und Werner haben in ohnmächtigem Protest eine Bank ausgeraubt, um ihren Kinderladen, der vor dem finanziellen Aus steht, am Leben zu halten. Jetzt sind sie auf der Flucht. Christas Schulfreundin Ingrid verschafft ihnen nach einigem Zögern Unterschlupf und von der dritten Frau, der Bankangestellten Lena, die Christa entlarven kann, hängt jetzt alles ab. Eindrucksvolles, durchaus auch heiteres Zeitkino, blendend gespielt und fotografiert. Das ist die lockere Kür. Der nächste Film "Schwestern oder die Balance des Glücks" (1979) wird schwerer und findet auch prompt nicht mehr eine einhellige Zustimmung.

Als Kinder klammern sich Maria und Anna eng aneinander, der fremden feindlichen Umwelt begegnen sie mit gemeinsamer Kraft. Doch erwachsen geworden, klammert sich die lebensschwache Anna an die resolute Schwester, krallt sich in deren Leben fest, bis sie aus Verzweiflung und Lebensangst Selbstmord begeht. Doch damit nicht genug: in einem Tagebuch gibt sie der Schwester die Schuld. Das ist ein ungewöhnlich starker, sehr privater Film, härter und direkter noch - wenn auch weniger politisch relevant - als das starke Debüt "Das zweite Erwachen der Christa Klages", ein Film voller Schlichtheit und Klarheit.

"Heller Wahn" (1982) handelt von entfremdeten Beziehungen, Krisen in der Partnerschaft und Generationenkonflikten. Das sind Themen, wie man sie sich von Margarethe von Trotta vorstellen kann. Doch macht sie es dem Zuschauer schwer, durch die klischeehaften Dialoge durchzufinden, die Konstruktionen einer fast leblos wirkenden Geschichte, das seltsam steife Spiel der guten Schauspieler, die sich mühsam durch die Sprechblasen-Texte durchwürgen müssen, zu verstehen.

Allerdings - und das kann auch als Positivum aufgefaßt werden - ist "Heller Wahn" ein ausgesprochen aggressiver Film. Ein wohl unbeabsichtigter Effekt wohl, daß Frauen hier wie hilflos rettungslose Wesen wirken, die nur durch einen "richtigen Mann" leben. Nicht glücklicher ergeht es Margarethe von Trotta mit ihrem nächsten Film "Rosa Luxemburg" (1985).

Mit dem gewaltsamen Tod endete 1919 das ereignisreiche Leben der Sozialistin und Pazifistin. Sie war eine der stärksten Frauenfiguren in der deutschen Geschichte. Der Versuch, die emotionalen Probleme zwischen Politik und Gefühlsleben in den historischen Ablauf hineinzubringen, gelingt nur in Ansätzen. Zudem kann Barbara Sukowa trotz des spürbaren Bemühens der Person keine Tiefe geben.

Eine schöne kleine filmische Skizze gelingt von Trotta allerdings in dem Episodenfilm "Felix" (1987) mit Ulrich Tukur und Eva Mattes. Ende der 80er Jahre siedelt sich die Filmemacherin in Italien an, wo sie wieder eindrucksvolle Filme inszeniert. "Fürchten und Lieben" heißt eine Adaptation von Tschechows "Drei Schwestern" in einer modernen Kinoversion, glänzend besetzt mit Fanny Ardant, Greta Scacchi, Valeria Golina.

Konsequent bleibt die Filmemacherin bei Frauengeschichten, Konflikten zwischen Generationen, zwischen Männern und Frauen oder Dreiecksgeschichten. Auffällig ist, daß sie nach ihren Anfängen mit "Christa Klages" und der "bleiernen Zeit" in Privatkonflikten mehr Sensibilität und Überzeugungskraft gewinnt als bei den historischen und politischen Stoffen.

In dem italienischen Film "Die Rückkehr" (1990) geht es um das Schicksal einer Frau, die im Krankenhaus liegt und an Krebs erkrankt ist. Die Überlebenschancen sind ungewiß. Auf ihren Wunsch kommt die Freundin aus Afrika zurück. Die Ärztin Martha war damals ganz weit weggegangen, als Anna und Viktor heirateten. Denn Viktor war Marthas Geliebter. Martha kann das nicht vergessen, auch nicht am Krankenbett. Doch sie überwindet ihre Abwehr, findet zu ihrer Freundschaft zurück und am Ende gehen Anna und Martha weg und überlassen Viktor sich selbst. Die Frauen sind Beobachterinnen und letztlich Sieger.

Antigone und die Mafia - so könnte man Margarethe von Trottas "Zeit des Zorns" von 1993 bezeichnen. Von Film zu Film läßt sich bei ihr erkennen, wie sich bei der Arbeit in Italien der Blick auf Gegenwärtiges wie auch für formale Klarheit schärft. Ihre Auseinandersetzung mit der Mafia, die ähnlich emphatisch wie bei Lina Wertmüller in "Camorra" von 1985 in einem Kampfaufruf an die Frauen endet, sich endlich zu engagieren, hat schon im Vorfeld bei den Dreharbeiten Furore gemacht. In Mafia-Kreisen soll man beunruhigt gewesen sein. Jedoch anders als die vehement radikale Italienerin bleibt Margarethe von Trotta in "Zeit des Zorns" bei fiktiver Kinogeschichte - nicht in der Radikalität, wohl aber in der Beziehung zu den authentischen Figuren der Mafia-Szene. Es gibt keine konkreten Parallelen, die Personen bleiben Kinofiguren, ihre Identität ist nur angedeutet, es geht allein um die Atmosphäre der psychischen und physischen Angst.
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Richter Marco Canova und seine Frau, die Ärztin Carla Aldrovandi sind hochgefärdete Personen. Denn er ermittelt in einem diffizilen Fall von Schmiergelddelikten. Hohe Regierungsbeamte sind in schmutzige Geschäfte mit der Mafia verstrickt und Carla Aldrovandi mischt sich, als der Richter einem Anschlag zum Opfer fällt, ein in die Politik ihres Mannes, unternimmt in selbstmörderischer Konsequenz eine Aufklärungs- und Enthüllungsaktion.

Was dem Film letztlich stark macht, ist die Arbeit mit den Schauspielern: Carla Gravina spielt eine moderne Antigone und Jacques Perrin fasziniert als stiller, zurückhaltender, aber ständig in seiner Arbeit verhafteter Richter - mit wenigen Worten, Blicken, Gesten, Berührungen lassen die beiden Menschen Nähe und Wärme spürbar werden und neben ihnen gibt der italienische Regisseur Giuliano Montaldo dem Tommaso Pesce überzeugend Gestalt. Und schließlich überrascht Alida Valli als Mutter, eine verschlossene alte Dame mit den durchdringenden, wissenden Augen, eine Figur wie aus der griechischen Tragödie, eine wunderbare Altersrolle.

In Deutschland sieht das dann ganz anders aus als es im "Versprechen" um deutsch-deutsche Konflikte geht. Da ist ein junges Paar durch die Mauer entzweit. Das Schicksal trennt die Liebenden, als sie mit den Freunden zur Tante in den Westen flieht. Er bleibt zurück, später, in Prag, treffen sie sich wieder, doch just dann wird der Prager Frühling von kommunistischen Panzern überrollt. Die großen Momente der Zeitgeschichte werden bemüht, die politischen Wirren zwischen Ost und West und Ost und Ost. Prag hat Folgen: ein gemeinsames Kind, doch die beiden entfernen sich voneinander, innerlich wie äußerlich.

Wären nicht die Schauspielerinnen Meret Becker als junge, Corinna Harfouch als ältere Sophie, man hätte fast nur Erinnerungen an den kalten Osten und den doch sehr viel offeneren Westen. Fürs Fernsehen schließlich gelingt Margarethe von Trotta 1997 mit "Winterkind" ein ruhiger, gewissenhafter Film über das Verhältnis von Vernunft zu Gefühl. Es ist eine Art kaukasischer Kreidekreis: Zwei Mütter, die leibliche und die Adoptivmutter, kämpfen um das Kind, als die Mutter nach sieben jahren aus dem russischen Internierungslager zurückkehrt...
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* = ohne Aufnahme oder Serienzusammenfassung


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