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Barbara Auer

Stand: 15.08.2001
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* 01.02.1959     

Schauspielerin

Unter drei Geschwistern wächst Barbara Auer, 1959 in Konstanz geboren, in einem christlichen Elternhaus auf. Sie ist die Älteste, trägt die Verantwortung. Provinzielle Enge, eine von katholischer Moral geprägte Kindheit - so charakteristert sie später Kindheit und Erziehung. Nach dem Abitur geht sie an die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst nach Hamburg, bis 1981 bleibt sie dort. Im gleichen Jahr noch kann sie am Stadttheater Mainz als Clarice in Goldonis "Diener zweier Herren" debütieren. 1983 geht sie an die Städtischen Bühnen Osnabrück und in den Spielzeiten1986/88 gehört sie zum Ensemble des Schauspielhauses Wuppertal. Fürs Kino entdeckt sie Alexander Kluge, er besetzt sie 1982 in "Die Macht der Gefühle". Barbara Auers Sohn Samuel kommt 1986 zur Welt.

Die Augen blicken klar, fixieren ihr Gegenüber - mal sind sie weit geöffnet, mal zu Schlitzen verengt, sie weichen nicht aus, halten dem Blick stand. Das runde Gesicht ist klar modelliert, eine Art klassische Schönheit. Kräftige Augenbrauen, eine gerade Nase, der Mund, mit dem sie - wie mit den Augen - Stimmungen ausdrückt. Auch Sehnsucht und Leidenschaft werden sichtbar. Mit Mund und Augen lockt sie, verlockt, schafft sich aber gleichwohl wieder Distanz, wenn es notwendig erscheint.

Das Rollenrepertoire von Barbara Auer ist weitgesteckt: Heimerzieherin, Kranführerin, Ärztin, Architektin - meist Frauen aus einfachen Verhältnissen, fast immer bodenständig. Frauen, die wissen, was sie wollen, zumindest aber, was sie nicht wollen. Die Erzieherin Elke in Hark Bohms "Herzlich Willkommen" (1990), die Kranführerin Jessica in "Der Boss aus dem Westen" (1985), die Ärztin Ruth in "Meine Tochter gehört mir" (1992), die beide von Vivian Naefe inszeniert wurden. Jessica hat alles im Griff. Sie fährt den Mercedes so sicher wie den Trabi, von ihrem Kran ganz oben über der Baustelle sieht sie ganz genau, was unten vor sich geht. Mit ihren klaren, offenen Augen kann sie den anderen auch überrumpeln.

Der Industriemanager aus Köln, der zu Geschäftsverhandlungen in die DDR, nach Ost-Berlin kommt, geht ihr ins Netz. Eher lustlos - aber man ist ja Gentleman! - leistet er Hilfe, er hält an, als die schöne junge Frau mit ihrem Trabi stehen bleibt. Rasch hat sie die Sache in der Hand: nicht er wird sie abschleppen, sie führt den Mercedes, denn sie ja kennt den Weg. Er muß in den Trabi steigen, sich mühsam hineinquälen und von den Knaben links neben ihm forsch anmachen lassen. Sie richtet sich währenddessen erst einmal langsam und genußvoll in dem bequemen Wagen ein - sie versteht es zu leben, zu genießen. Barbara Auer spielt das mit Bravour aus, auch wenn Jessica später in der Liebesbeziehung mit dem Businessman merkt, daß sie wieder einmal Federn lassen muß, behält sie den Durchblick, bleibt selbst in der Leidenschaft hellwach.

Das ist eine genaue Charakterzeichnung, die zugleich den Einfluß der Umwelt auf die Person präzis berücksichtigt: In ihrem betont aufrechten und energischen Gang, ganz klar und fest bewegt sie sich zu Hause und am Arbeitsplatz. Der Schalk sitzt in den Augenwinkeln, das mindert etwas von der spröden Erscheinung. Ganz anders die Jessica im Westen, in der Fremde, in der gestylten Atmosphäre: Da wirkt sie fast klein und zierlich, wie sie sich zwischen den fremden Menschen, den fremden Klamotten und den ihr unbekannten Schaufenstern, Läden und Hotels bewegt, mit einem etwas schüchternen, doch nicht unsicheren Blick, um dann zu einer immer geschlosseneren Haltung und Festigkeit zu kommen. Da werden die Bewegungen runder und weicher.

Barbara Auers Charaktere bleiben immer sie selbst, bleiben dominant. Das gilt auch für die schöne Rebellin Jana in Sönke Wortmanns "Eine Wahnsinnsehe" (1990), wo sie in der Rolle einer demonstrierenden Studentin den Polizisten Till (Thomas Heinze) anmacht und ihn regelrecht umkrempelt. Sie ist zärtlich, liebevoll, zieht ihn mit ihrem offenen, sanft lockenden Blick in den Bann, bleibt sich selbst aber treu. Der naive Till frißt ihr aus der Hand, macht alles, was sie will, was sie sagt, verändert aus Liebe seine Gewohnheiten und bleibt immer einen Schritt hinter ihr, wenn er gerade bei der Protestphase angelangt ist, gehört sie zu den Freudianern, als er seine Analyse beginnt, schwebt sie auf dem Weg nach Poonah, und als er schließlich in der Klapsmühle endet, hat sie das ganz gut überlebt.

Die Ärztin Ruth gibt alles auf, um das vom Ehemann gekidnappte Kind wiederzubekommen. Der sechsjährigen Sofia, vom Kindermädchen betreut, fehlt häufig die Mutter. Da kommt der von der Frau geschiedene Vater aus Griechenland. Er möchte Sofia mitnehmen und weil Ruth es ihm verweigert, tut er es heimlich. Damit beginnt der Kampf einer Mutter um ihr Kind. Obwohl sie im Recht ist, hat sie legal keine Chancen, also muß sie auf Umwegen zum Ziel kommen. Sie gibt ihren Beruf auf, verläßt den Freund, um nach Griechenland zu gehen, läßt kein Mittel unversucht, die Tochter wiederzubekommen - auch auf illegalem Weg, unbeirrbar verfolgt sie ihr Ziel. Barbara Auer spielt nicht nur die Frau mit dem Kopf, ihre Protagonisten sind immer zugleich auch leidenschaftlich: Auch wenn ihr später vor Scham die Tränen kommen, wenn Ruth ihren Ex-Mann regelrecht verführt, um ihn weich zu machen, tut sie es mit Zärtlichkeit und Lust.

Frech, witzig, spitzbübig erlebt man sie in "Frauen sind was Wunderbares" (1994). Kim weiß, was sie will: Sie will nicht betrogen werden, weiß jedoch nicht, für welchen der beiden Männer sie sich entscheiden soll, für den vernünftigen Uni-Dozenten Zeno oder für den verrückten Chauvi Arthur. Sie will geliebt und umschwärmt werden, sie will Sicherheit und Abenteuer zugleich. Das Hin und Her spiegelt sich in offenem Lachen und geschmeidigen Bewegungen, die schnell von einem heftigem Gefühlsausbruch abgelöst werden können.

Auf dem besten Weg, der erste deutsche Filmstar nach Hanna Schygulla zu werden, sah Peter Buchka Barbara Auer 1990, als sie in Hark Bohms Kinofilm "Herzlich Willkommen" die Erzieherin Elke spielte; sein Kollege Andreas Kilb nannte sie dagegen in der "Zeit" eine Gefangene des Autorenfilms, auf die jeder Regisseur die Figur projezieren kann, die in sein Konzept paßt. Die Erzieherin Elke, die in einem Erziehungsheim arbeitet, das in einem streng archaischen Stil, einem Relikt aus brauner Vorzeit, geleitet wird, ist eine ehrgeizige, eitle und berechnende Person, die sich mit dem Praktikanten einläßt, weil sie ihre Gefühle nicht mehr bremsen kann. Doch in der Liebesbeziehung zu dem Jungen, der aus der DDR geflüchtet ist, wird sie zunehmend kritischer, schließlich sogar rebellisch, bis sie Konsequenzen zieht. Barbara Auer selbst hätte sich die Figur härter, schuldiger vorgestellt, etwa so, wie in der Szene, in der sie den Praktikanten in ihr Zimmer lockt. Aber Regisseur Bohm hatte das anders angelegt.

Verführerisch schöne Frauen spielt Barbara Auer offensichtlich mit besonderer Leidenschaft, etwa die Maria Grund in Hermine Hundgeburths "Im Kreise der Lieben" (1991). Eine blendend erzählte Geschichte von Großmutter, Mutter und Tochter, die sich in einer Hamburger Altbauwohnung verschanzt haben, wo sie von einem neuen Hausherrn drangsaliert werden. Für den Lebensunterhalt sorgt Maria: Sie 'arbeitet' als Heiratsschwindlerin. Mit durchtriebenem Blick, reizvollem Augenaufschlag und den unnachahmlichen Körperbewegungen schafft sie an, zockt ab. Zu Hause allerdings herrscht Unmut unter den drei Frauen, es kommt zu wahren Feindseligkeiten. Doch als eines Tages Maria an zwei Knaben gerät, mit denen sie nicht so leicht fertig wird, halten die drei Frauen wieder wie Pech und Schwefel zusammen. Mit welcher Konsequenz und Klarheit Maria auch diese vertrackte Situation meistert und ganz nebenbei noch ihrer frustrierten Mutter auf die Beine hilft, das zeigt das ganze Spektrum Auerscher Rollengestaltung.

In Frank Beyers "Nikolaikirche"(1995) ist sie die Architektin Astrid Protter, die sich nicht den geforderten sozialistischen Normen fügen möchte. Sie will ihre eigene Auffassung von Menschlichkeit in ihrem Beruf einbringen. Als ihr Vater, ein hochdekorierter Antifaschist und Volkspolizei-Offizier, beim Übungsschießen einen Herzinfarkt erleidet, gerät die junge Frau in die Krise und landet in der Nervenklinik. Doch sie schafft es dann, verstärkt ihre systemkritische Haltung, verteilt mit ihrem Mann Flugblätter und nimmt an der großen Friedensdemonstration teil. Barbara Auer wirkt hier entschlossen, den Mund zusammengepreßt, kein Strahlen in den Augen, eher ein Anflug von Trauer, wenn sie "aussteigt". Die Entschlossenheit gibt auch etwas Herbes, es scheint, als fehle etwas in der Figur, weil sie wohl zu sehr in vorgesehene Strukturen eingebunden ist. Die Mutter sagt: Sie wolle nicht nur um ihrer Schönheit willen geliebt werden, sondern auch und vor allem wegen ihres Charakters und ihres Könnens, das bewirkt den Verlust von Nähe.

In Dominik Grafs "Reise nach Weimar" (1996) ist sie Mafalda La Rocca, die schöne Tochter der geschäftstüchtigen Restaurantunternehmerin Hilde, die mit ihrer Mutter nach Weimar reist, wo diese nicht nur alte Erinnerungen wachrufen, sondern auch - ausgerechnet in einem traditionsbehafteten Gebäude -eine Pizzeria für das Mädchen mit dem seltsamen Namen errichten will. Mafalda, die gerade die Beziehung mit einem verheirateten Familienvater abgebrochen hat, verliebt sich hier in einen promovierten, arbeitslosen Lehrer, der sein Leben als livrierte Aushilfskraft im Museum, als Fremdenführer und Stehgeiger fristet. Seine Arbeitslosigkeit rührt daher, daß er ein ungebrochener Kommunist ist, und das liefert dann auch den Konflikt des Films, denn Hauke Wolf findet es natürlich schrecklich, daß Mafalda in einem historischen Haus noch dazu in der Goethe-Stadt, eine Pizzeria betreiben will. Da ist Barbara Auer eine Art moderner Prinzessin. Sie darf in klassischer Schönheit strahlen, sich bewegen und doch so richtig herzzerreißend heulen. Und die Kamera geht mit sanften Bewegungen auf das Gesicht zu, in dem die Augen strahlen, die Mundwinkel sich leicht nach oben ziehen - und ihr intensiver Blick kommt fast wie ein Atmen herüber, mal im Unglück in Stricksocken und dicken Schal gehüllt und dann - im Gegensatz dazu - elegant, wenn sie sich für einen Job im vornehmen Milieu bewirbt.

Weitere Filme mit Barbara Auer: "Vergewaltigt - Die Wahrheit und andere Lügen" (1996), "Weihnachtsfieber" (1997), "Maria" (1997), "Zwei im Berg" (1997), "Irrlichter" (1997), "Solo für Klarinette" (1998), "Picknick im Schnee" (1999), "Stille Nacht - Heilige Nacht" (1999), "Warten ist der Tod" (1999), "Donna Leon - Vendetta" und "Donna Leon - Venezianische Vendetta" (beide 2000), "Liebesengel" (2000), "Scheidung auf Rädern" (2000).

Bild 2: Barbara Auer mit Thomas Heinze (r.) in "Eine Wahnsinnsehe"

* = ohne Aufnahme oder Serienzusammenfassung


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