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Mario Adorf

Stand: 11.09.2005
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* 08.09.1930  in Zürich    

Schauspieler

Einer der besten Schauspieler Deutschlands war ursprünglich Preisboxer, der bei 178 Zentimetern kompakter Sinnlichkeit gut und gern 95 Kilo auf die Wage bringt. Dazu ein Gesicht, das er verdient: entschlossen kantiges Kinn und volle Lippen. Eine steile Kerbe auf der Stirn von den vielen grimmigen Grimassen. Eine Nase, die nach sechs Jahren Preisboxen in die Breite ging und schmale Augen, die spöttisch bis auf den Grund der Seele sehen. "Was soll ich bloß spielen mit diesem Gesicht?", fragte er sich als Anfänger. Mario langte eben gern mal zu, um sich durchzusetzen.

Er wurde in Rom gezeugt, in Zürich geboren. in der Eifel aufgezogen. Seine Mutter Alice, Elsässerin und von Beruf Röntgenassistentin, war von einem längeren Italien-Abstecher mit dem dunkellockigen Knaben unter dem Arm zurückgekehrt, und ließ sich in Mayen/Eifel nieder, dem einzigen Ort, wo sie Verwandte hatte. Seinen Vater, ein römischer Arzt, hat er in seinem ganzen Leben nur einmal gesehen. Zehn fast sprachlose Minuten lang, heißt es. Adorf wollte ihn um Geld für sein Studium bitten, damit er in den Nachkriegs-Semesterferien nicht mehr auf dem Bau als Maurer und Zementmischer arbeiten müsse. Doch Vater und Sohn konnten sich nur mühsam unterhalten: Der eine sprach nur Italienisch, Mario damals nur Deutsch.

Sein halbherziges Germanistik- und Philosophiestudium brachte er nicht zu Ende. Eines aber wußte er ziemlich genau. Er wollte Lehrer werden, Einsichten vermitteln, erziehen. Denn seine eigene Erziehung, sagte er einmal, habe Spuren und Kerben hinterlassen, die er nicht mehr tilgen könne. Zum Beispiel seine Abneigung gegen die Moral der Religion. "Ich bin zum Teil in einem katholischen Waisenhaus aufgewachsen, und aus diesen Erfahrungen heraus finde ich es furchtbar, welche Doktrin die Kirche aufstellt. Ich bin antireligiös und antipolitisch, ich glaube nicht an Machtspiele und nicht an einen persönlichen Gott."

Über die Studentenbühne kam Mario Adorf dann zur Schauspielerei. Erste Statisten-Rollen und Regieassistenz am Schauspielhaus Zürich. Von 1953 bis 1955 Otto- Falckenbergschule in München. Von 1955 bis 1962 Ensemblemitglied der Münchner Kammerspiele, dort erlebte er den prägenden Einfluss durch den Schauspieler Friedrich Domin und vor allem durch den Regisseur Fritz Kortner. 1954 debütierte er in "08/15" und erntete drei Jahre später den Bundesfilmpreis für "Nachts, wenn der Teufel kam" (1957). Fortan war der klobige Mann aus der deutschen Filmszene nicht mehr wegzudenken.

Als Ende der 50er Jahre in Deutschland das Kinosterben beginnt und dem eine drastische Einschränkung der Filmproduktion folgt, geht Adorf, wie viele deutsche Schauspieler, nach Hollywood. Er erlebt hier nicht nur die negativen Ausmaße des kommerziellen Filmgeschäfts, sondern bleibt durch seine Rolle in Sam Peckinpahs Western "Major Dundee" auf den Typ des Mexikaners festgelegt.

Seinem Umzug nach Italien in den frühen 60er Jahren aber wollten ihm damals viele Fans nicht verzeihen. "Wenn man damals ins Ausland ging, galt man als eine Art Deserteur", erinnerte er sich. So gestaltete er zwar aktiv alle wichtigen Entwicklungen des deutschen Films von den "Karl May"-Filmen, über "Katharina Blum", "Lola" und die "Blechtrommel" mit, das Publikum aber gewährte ihm nicht die Anerkennung, von der er träumte.

Trotzdem setzte er sich durch. Seit er als unheimlicher Massenmörder 1957 in "Nachts, wenn der Teufel kam" die Kinos heimsuchte, ist Adorf einer der populärsten deutschen Finsterlinge. Mit dieser ersten großen Rolle hatte er sich auf die Rolle des Schurken abonniert. In über 100 Filmen mimte er seither den (brachialen) Gauner und klobigen Klotz mit Gemüt. "Das Mädchen Rosemarie" (1958), "Das Totenschiff" (1959), "Schachnovelle" (1960) nach Stefan Zweig, "Major Dundee" (1964) mit Charlton Heston, "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" (1975), "Fedora" (1978, Regie: Billy Wilder), "Die Blechtrommel" (1979/ Regie: Volker Schlöndorff), "Lola" (1981/Regie: Ralner Werner Fasebinder) , "Momo" (1986/ Regie: Johannes Schaaf), "Pizza Colonia" (1990), "Die Kaltenbach-Paplere" (1990/Regie: Rainer Erler), " Ex + hopp" (1991/Regie: Andy Bausch). Nur am Theater war's auch mal ein Huckleberry Finn oder gar ein Othello.

Bekanntgeworden aber ist er als Schurke oder gar Mörder von Nscho-Tschs in "Winnetou" , als Diktator Mussolini, als Baulöwe Schuckert in Fassbinders Lola. Adorf trägt's gelassen, daß er so oft für die polternden Gestalten herhalten muß. Mit allen Wasser gewaschen präsentiert sich Adorf in dem überragenden TV-Vierteiler "Der große Bellheim". Adorf spielt einen Kauflhausbesitzer. Einen Patriarchen von altem Schrot und Korn, der sich eigentlich schon nach Spanien zurückgezogen hatte, aber schließlich voller Elan nach Deutschland zurückkehrt, um sein ins Schlingern geratenes Unternehmen vor dem Ruin zu retten. Eine Paraderolle! In Venezuela drehte er den französischen Mehrteiler "Die Abenteurer vom Rio Verde", der auch im deutschen Fernsehen lief. Adorf spielt einen deutschen Honorarkonsul, der in Südamerika gegen die Mafia und die Zerstörung des Regenwaldes kämpft.

Schon 1973 beeindruckte er die Fernsehzuschauer in der ZDF- Produktion des Bertolt Brecht- Stückes "Herr Puntila und sein Knecht Matti". In der ebenfalls vom ZDF produzierten Serie "Via Mala" (1985/Regie: Tom Toelle), bewegte er das Publikum durch seine Darstellung des grausamen, trunksüchtigen Vaters. Für diese schauspielerische Leistung erhielt Adorf 1986 den Darstellenpreis des Bundesverbandes der Fernseh- und Filmregisseure.

Auch als bald 70jähriger läßt er sich noch gern mit bis zum Bauchnabel offenem Hemd fotografieren, und täglich stutzt er millimetergenau seinen grau gewordenen Stoppelbart zurecht, der seinem Gesicht etwas von der Verwegenheit eines Fischerjungen und der Verruchtheit eines Mafioso gibt. Er ist weißhaarig geworden, gewiß, doch immer noch liebt er die Rolle des Charmeurs, und er spielt sie glänzend. Seine französische Frau Monique, eine attraktive Blondine und Adorfs große Liebe seit rund 25 Jahren, und er wohnen abwechseln in Rom und Paris. Mario Adorfs Tochter Stella aus seiner ersten Ehe mit Regisseurin Lis Verhoeven ist längst erwachsen.

Adorf gilt als ein Lebemann, der den Genuß schätzt und die Künste. "Ich hätte mich auch immer gern als Bildhauer gesehen, erzählte er einmal. In Rom sitzt er oft stundenlang bei Mozartmusik in seiner Werkstatt und modelliert mit Ton oder pinselt Aquarelle. Vieles ist in den Anekdoten aus seinem Leben nachzulesen: "Der Mäusetöter". Das Geheimnis seiner physischen Präsenz, seiner inneren Leuchtkraft hat er einmal in einem Interview verraten: "Man muß ein magnetisches Kraftfeld aufbauen. Und als Schauspieler in der Lage sein, dem Publikum seinen eigenen Herzschlag mitzuteilen. Ja, fast aufzudrängen." So sieht er sich am liebsten: als Geschichtenerzähler, als Schauspieler mit Leib und Seele, der sein Publikum beherrscht. Zuletzt war er in dem erfolgreichen TV-Mehrteiler "Der Schattenmann" und als Restaurantbesitzer Pierrot in Helmut Dietls prominent besetzter Erotikstory aus der Filmwelt "Rossini" zu sehen. So scheint es, daß Adorfs Karriere im Alter ihren Höhepunkt erreicht.
Nach prisma-online.de

* = ohne Aufnahme oder Serienzusammenfassung


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